
Zwischen Leitzinsentscheid, Arbeitsmarktdaten und Verbraucherpreisen liegen oft die nervösesten Tage an den Finanzmärkten. Das zeigt eine neue Untersuchung der US-Notenbank Federal Reserve, die analysiert hat, welche Wirtschaftsstatistiken den S&P 500 und den Euro Stoxx 50 am stärksten beeinflussen. Die Erkenntnis: Drei Kennzahlen bestimmen fast alles – die US-Inflationsrate, der Zinsentscheid der Fed und die amerikanische Beschäftigungsquote.
Inflationsdaten im Fokus – der neue Taktgeber der Märkte
Noch vor wenigen Jahren galt die Arbeitslosenquote als der wichtigste Indikator für die Märkte. Doch seit der Energiekrise und dem Ukrainekrieg hat sich das Blatt gewendet: Heute sind es die Inflationsdaten, die die Händler nervös machen. „Der Verbraucherpreisindex ist inzwischen die Kennzahl, die am meisten Volatilität auslöst“, erklärt Fed-Ökonom Mehrdad Samadi.
Eine Analyse von Optionspreisen zeigt: An Tagen vor Inflationsdaten oder Zinsentscheidungen verlangen Investoren höhere Risikoprämien – ein Zeichen, dass sie mit stärkeren Schwankungen rechnen. Besonders ausgeprägt ist dieses Muster in den USA, doch auch der EZB-Leitzins spielt für die europäischen Märkte eine zunehmende Rolle.
Weniger wichtig, als viele glauben: BIP und EU-Arbeitslosigkeit
Überraschend ist, was kaum zählt: Das Bruttoinlandsprodukt und die Beschäftigungsquote in der Eurozone haben laut Studie so gut wie keine Auswirkung auf Kursbewegungen. Die Gründe liegen auf der Hand – beide Daten werden stark revidiert und gelten als rückblickend, während Händler auf zukunftsgerichtete Kennzahlen achten.
„Die Märkte leben in Echtzeit, das BIP lebt in der Vergangenheit“, bringt es ein Analyst aus Frankfurt auf den Punkt.
Wenn Hausverkäufe und Konsumlaune die Wall Street bewegen
Eine ergänzende Auswertung des Handelsblatts über die vergangenen zehn Jahre zeigt, dass es neben Zinsentscheidungen noch weitere Markttrigger gibt. Besonders auffällig: Hausverkäufe in den USA und der Consumer Confidence Index, der das Vertrauen der Verbraucher misst, führten häufig zu sprunghaften Handelsvolumina beim S&P 500.
Auch Indizes zur Industrieproduktion und zum verarbeitenden Gewerbe wirken als Stimmungsthermometer – sie geben Hinweise auf die wirtschaftliche Dynamik jenseits der offiziellen Wachstumszahlen.
Warum Märkte schon vor den Daten reagieren
Erstaunlich ist, dass Kursausschläge oft vor der Veröffentlichung beginnen. Ökonomin Marketa Halova Wolfe, die bereits 2016 zu Markteffekten forschte, spricht von einem „Vorlauf-Effekt“: „Manche Händler nutzen Modelle, um Daten im Voraus zu schätzen – und positionieren sich entsprechend.“ Ob das immer sauber abläuft, ist unklar. Möglich ist auch, dass Informationen frühzeitig durchsickern.
Für Privatanleger bedeutet das: Wer an datenreichen Tagen handeln will, sollte wissen, dass die Märkte schon Stunden zuvor unruhig werden können.
Die nächsten „Nerventage“ stehen bevor
Laut Fed-Studie werden insbesondere die vier US-Handelstage zwischen dem 29. Oktober und dem 3. November zu den sensibelsten Phasen der kommenden Wochen gehören. Dann stehen sowohl Inflationszahlen als auch der nächste Zinsentscheid der Fed an.
Analysten raten deshalb zu ruhiger Hand: Wer kurzfristige Volatilität vermeiden möchte, sollte in diesen Tagen überflüssige Risiken reduzieren – und sich stattdessen auf die langfristige Strategie konzentrieren.