ETFs gewinnen den Wettlauf um das passive Investieren

Passives Investieren hat sich zu einer der erfolgreichsten Anlagestrategien der vergangenen Jahrzehnte entwickelt. Die Grundidee ist schlicht: Nicht versuchen, den Markt zu schlagen, sondern ihn so kostengünstig wie möglich abzubilden. Zwei Instrumente dominieren diesen Ansatz – klassische Indexfonds und börsengehandelte ETFs. Beide verfolgen dasselbe Ziel, doch im praktischen Einsatz zeigen sich deutliche Unterschiede.

Zunächst verbindet beide Anlageformen mehr, als viele Privatanleger vermuten würden. Sowohl ETFs als auch Indexfonds orientieren sich exakt an einem ausgewählten Index. Damit entfällt das aktive Management, das bei traditionellen Fonds hohe Gebühren verursacht. Die Kostenstruktur ist entsprechend niedrig. Mit durchschnittlich rund 0,35 Prozent pro Jahr bleiben beide Varianten weit unter den Sätzen, die aktive Fonds für ihre Verwaltung verlangen. Zudem gelten sie als rechtlich geschütztes Sondervermögen, sodass Anlegergelder auch im Fall einer Insolvenz der Fondsgesellschaft nicht in die Insolvenzmasse fallen.

Doch dieser formale Gleichklang verdeckt, wie unterschiedlich die Produkte genutzt werden. Der zentrale Unterschied liegt im Handel. ETFs werden wie Aktien während der gesamten Börsenzeiten gehandelt. Das ermöglicht Käufe und Verkäufe in Echtzeit, Limit-Orders, Sparpläne und jede Form taktischer Anpassung. Für viele Anleger ist genau diese Flexibilität entscheidend. Sie können auf Marktbewegungen reagieren oder zu bestimmten Zeitpunkten investieren, ohne an feste Abwicklungsfristen gebunden zu sein.

Für Indexfonds gilt das Gegenteil. Sie werden nicht an der Börse gehandelt, sondern direkt über die Fondsgesellschaft. Der Handel erfolgt meist nur einmal täglich zum festgelegten Nettoinventarwert. Diese Struktur ist für langfristige Anleger ausreichend, aber sie verhindert jede Form kurzfristiger Disposition. Sie erschwert auch die Integration in gängige Onlinebroker, die auf börsentägliche Ausführung ausgelegt sind. Wer einen klassischen Indexfonds kaufen will, muss häufig auf spezialisierte Plattformen, Honorarberater oder Robo-Advisors setzen.

In Europa wiegt genau dieser Zugang schwer. Während in den USA Indexfonds eine jahrzehntelange Tradition haben und oft integraler Bestandteil von Altersvorsorgeprodukten sind, hat sich der Kontinent anders entwickelt. Europas Privatanleger haben früh auf ETFs gesetzt, weil sie über normale Broker verfügbar waren, transparente Kostenstrukturen boten und leicht in Sparpläne integriert werden konnten. Heute sind an europäischen Börsen mehrere tausend ETF-Produkte gelistet, die nahezu jede Anlageidee abdecken – von globalen Standardindizes bis zu spezialisierten Marktsegmenten.

Indexfonds haben diesen Wettbewerb kaum gesucht. Sie waren traditionell auf institutionelle Investoren ausgerichtet. Dass Privatanleger bis heute häufig nur eingeschränkten Zugang haben oder zusätzliche Gebühren entrichten müssen, hat ihre Verbreitung begrenzt. Für den Vermögensaufbau per Sparplan oder kleinere Einmalanlagen erscheint das aus Sicht vieler Kleinanleger unnötig kompliziert.

Die Diskussion um die „bessere“ Variante ist deshalb weniger eine Frage der Struktur als der Nutzerfreundlichkeit. ETFs bieten ein breites Angebot, hohe Transparenz, einfache Handelbarkeit und eine Infrastruktur, die in Europa auf sie zugeschnitten ist. Indexfonds bleiben für bestimmte institutionelle Anwendungen relevant, doch im Alltag privater Anleger spielen sie eine Nebenrolle. Das hat zur Folge, dass sich die europäische ETF-Landschaft dynamisch weiterentwickelt, während der Markt für Indexfonds vergleichsweise stabil bleibt.

Für Anleger bleibt wichtig, dass beide Produkte denselben Kern verfolgen: breit diversifizieren, Kosten minimieren und langfristig wachsen. Wer allerdings Wert auf unmittelbare Handelbarkeit legt oder unkompliziert per Sparplan investieren möchte, findet im ETF das praktikablere Instrument. Die strukturelle Idee des Indexfonds ist keineswegs überholt, doch in der europäischen Realität ist die Entscheidung längst gefallen: ETFs sind zur ersten Adresse für passives Investieren geworden.

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