
Der Strategiewechsel bei Mercedes-Benz nimmt Formen an: Nach Jahren, in denen der Stuttgarter Konzern konsequent auf teure High-End-Modelle setzte, soll nun eine breiter aufgestellte Premiumpalette die Wende bringen. Laut Informationen des „Handelsblatts“ arbeitet Vorstandschef Ola Källenius an einem Kurswechsel weg von der reinen Luxusausrichtung – offiziell bestätigt ist der Schritt noch nicht, doch in Unternehmenskreisen gilt er als beschlossen.
Vom Côte-d’Azur-Glanz zur Realität des Weltmarkts
2022 hatte Källenius seine ambitionierte Strategie „The Economics of Desire“ präsentiert. Die Idee: Weniger Modelle, dafür exklusiver, teurer – und mit zweistelligen Renditen. Der Plan ging zunächst auf, befeuert von einer Sondersituation nach der Pandemie. Doch der Rückenwind ist verflogen. Die globale Nachfrage kühlt ab, der Preisdruck steigt – und nirgendwo stärker als in China.
Chinas Markt bremst den Stern aus
Der Wettbewerb im Reich der Mitte ist brutal: ein rasanter Technologiewechsel zu Elektrofahrzeugen, lokale Hersteller mit aggressiver Preispolitik und Kundinnen und Kunden, die weniger auf Tradition als auf digitale Innovation setzen. Genau hier schwächelte Mercedes zuletzt spürbar. Die Folge: Deutlich rückläufige Verkäufe und eine strategische Sackgasse.
US-Zölle verschärfen die Lage
Auch in den USA strafen neue Importzölle europäische Hersteller ab. Für Mercedes schlug das im dritten Quartal spürbar zu Buche: Das bereinigte operative Ergebnis fiel um 17 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Besonders belastend waren die Rückgänge in China – dem wichtigsten Einzelmarkt des Konzerns – und zusätzliche Kosten durch die amerikanischen Handelsbarrieren.
Ein Premiumstern für alle Preisklassen?
Mit der geplanten Neuausrichtung rückt Mercedes davon ab, Luxus als alleinigen Wachstumstreiber zu betrachten. Stattdessen soll künftig ein breiteres Angebot an hochwertigen, aber nicht ausschließlich hochpreisigen Modellen die Marke robuster machen und Marktanteile sichern.
Källenius’ mögliche Abkehr vom Luxusdogma dürfte die wichtigste strategische Weichenstellung seit Jahren sein – und ein stilles Eingeständnis, dass selbst der Stern nicht immun ist gegen die tektonischen Verschiebungen in der globalen Autoindustrie.