
Ein Leben unter Bedrohung
Serpil Midyatli, SPD-Vizechefin und Oppositionsführerin im Kieler Landtag, hat in einem Interview mit dem Flensburger Tageblatt über die Schattenseiten ihres politischen Lebens gesprochen. Die 50-Jährige schildert, wie ihre Familie Anfang der 1990er-Jahre wiederholt Ziel von Angriffen wurde. „Da haben uns Leute regelmäßig die Scheiben eingeworfen, bis die Versicherung gesagt hat, dass sie das nicht mehr zahlt“, erzählt sie.
Auch das Auto ihres Vaters sei demoliert worden, weil die Täter genau wussten, wem es gehörte. Besonders eindrücklich: der Versuch, das Elternhaus in Brand zu setzen. „Wir wissen, dass wir immer latent in Gefahr sind. Nicht zuletzt dadurch, dass jemand versucht hat, das Haus meiner Eltern anzuzünden“, sagt Midyatli. Heute sei die Angst größer denn je.
Alltagsrassismus als prägendes Erlebnis
Midyatli, die sich um die Spitzenkandidatur der SPD für die Landtagswahl 2027 bewirbt, berichtet auch von alltäglicher Ausgrenzung. „Ich bin als Gastarbeiterkind häufig gefragt worden, wann ich wieder in die Türkei zurückgehe“, sagt sie. Diese Erfahrungen hätten ihren Lebensweg entscheidend geprägt – und seien für viele Menschen mit Migrationshintergrund Realität.
Warnung vor der AfD
Besonders große Sorgen bereiten Midyatli die steigenden Umfragewerte der AfD. „Wir wissen, dass wir die Ersten sein werden, die verfolgt werden, wenn die Rechten an die Macht kommen“, warnt sie. Doch dabei werde es nicht bleiben: „Dann heißt es: ‚Da neben Frau Midyatli ist noch Platz bei der Abschiebung.‘“
Trotz der Bedrohung bleibt sie entschlossen: Schleswig-Holstein sei ihre Heimat – und die wolle sie verteidigen. „Wo soll ich denn sonst hin? Wir lassen uns hier nicht vertreiben.“
Das Interview ist Teil des Buchprojekts „Küstenkonturen“, für das Journalist Kay Müller und Fotograf Sven Zimmermann fünf Jahre lang Midyatli und weitere bekannte Persönlichkeiten aus Schleswig-Holstein begleitet haben – darunter auch Ex-Vizekanzler Robert Habeck und Handball-Star Juri Knorr.