Immo Tommy und die Bodensee-Bank – Wie ein Influencer eine Volksbank ins Wanken brachte

Vom Bodenseeufer in die Bankenkrise

Sabine Meister (56), frühere Vorstandschefin der Volksbank Konstanz, wollte die 163 Jahre alte Genossenschaft in die Zukunft führen – und brachte sie stattdessen an den Rand des Zusammenbruchs. Unter ihrer Leitung finanzierte die Bank Immobilien, die niemand je besichtigt hatte, auf Basis geschönter Exposés und mit Krediten in Millionenhöhe.

Heute drohen Verluste von über 23 Millionen Euro, rund 80 Kreditengagements gelten als auffällig. Die Bank sucht Rettung in einer Fusion mit der Volksbank Bodensee-Oberschwaben – der letzte Ausweg, um die Eigenständigkeit zu wahren.

Der Aufstieg des „Immo Tommy“

Im Zentrum des Skandals steht Tomislav Primorac (41), besser bekannt als Immo Tommy. Der selbsternannte Immobilienguru mit über 1,1 Millionen TikTok-Followern und 800.000 auf Instagram zeigte dort Traumwohnungen und versuchte, den Immobilienkauf als Lifestyle zu inszenieren.

Sein Netzwerk verkaufte laut internen Bankunterlagen Wohnungen vor allem in Süddeutschland – häufig zu überhöhten Preisen. Finanziert wurden die Deals erstaunlich oft durch: die Volksbank Konstanz.

Penthouse ohne Besichtigung – und ohne Fundament

Einer der Fälle liest sich wie ein Lehrstück in Bankversagen: Ein Schweizer Paar wollte 2022 eine Penthousewohnung in Korntal-Münchingen kaufen – vermittelt durch White Immobilien, wo Primorac einst Geschäftsführer war.
Die Volksbank gewährte 1,2 Millionen Euro Kredit, gestützt auf ein Exposé, das von „hervorragenden Terrassen“ schwärmte.

Die Bank prüfte nie selbst. Kein Mitarbeiter sah die Immobilie. Später stellte sich heraus: Aus den Fugen der „Luxusterrasse“ wuchs Unkraut. Der Kredit ist heute zu 800.000 Euro wertberichtigt – fast verloren.

„Deutlich unzureichend“ – die Bank als eigenes Opfer

Interne Revisoren zerpflücken das Vorgehen inzwischen selbst. In einem internen Bericht heißt es, die Genehmigung des Kredits sei „bei ordnungsgemäßer Prüfung abzulehnen“ gewesen. Auch andere Kredite zeigen ein Muster:

  • Gefälschte Gehaltsabrechnungen (bis zu 21.000 Franken Monatslohn bei 26-Jährigen),
  • fehlende Mietnachweise,
  • unrealistisch hohe Kaufpreise.

Teilweise sollen Zahlungen von bis zu 200.000 Euro aus den Krediten direkt an Primorac geflossen sein – ohne erkennbare Gegenleistung.

Eine Strafanzeige als Selbstanklage

Die Volksbank hat Strafanzeige wegen Kreditbetrugs gestellt – gegen Immo Tommy und ein angebliches Netzwerk. Doch das Dokument, das dem manager magazin vorliegt, ist ebenso eine Anklage gegen sich selbst.

Darin räumt die Bank ein, dass Prüfungen „nicht den branchenüblichen Standards“ entsprachen, Kontrollen „unterblieben“ und man „gewisse Unschärfen und Ungenauigkeiten akzeptierte“.

Ein interner Prokurist schrieb sogar, die Immobilienbewertung müsse „aus betriebswirtschaftlichen Gründen“ weniger streng erfolgen – man habe schließlich mehr Geschäft gebraucht.

Die Gier nach Wachstum – und ihr Preis

Insider berichten, Meister habe Druck gemacht, mehr Kredite zu vergeben. Nur so habe die Bank ihre Eigenständigkeit sichern können. Die Folge: riskante Finanzierungen, lasche Kontrollen – und eine Krise, die das Institut nun die Freiheit kosten dürfte.

Die Ex-Vorständin schweigt, ebenso Primorac. Die Bank betont, sie sei Opfer eines Betrugs. Doch die Unterlagen zeigen: Sie war vor allem Opfer der eigenen Leichtgläubigkeit.

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