
Merz fordert Kurskorrektur
Vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel fand der Kanzler deutliche Worte: „Das ist eine fatale Fehlentscheidung und die muss korrigiert werden.“ Merz appellierte an das Europäische Parlament, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Die EU verliere zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit, warnte er – insbesondere angesichts der schwächelnden Wirtschaft in vielen Mitgliedsstaaten. „Ich mache mir allergrößte Sorgen um die Arbeitsplätze in ganz Europa“, so Merz.
Brüsseler Machtkampf um die Richtlinie
Besonders brisant: Der von CDU/CSU mitverhandelte Kompromiss war zuvor im Rechtsausschuss mit Sozialdemokraten und Liberalen abgestimmt worden. Doch in der geheimen Abstimmung wichen offenbar zahlreiche Abgeordnete von der Parteilinie ab. Damit scheiterte der Versuch, das Lieferkettengesetz zu entschärfen – etwa durch höhere Schwellenwerte für betroffene Unternehmen und den Verzicht auf eine zivilrechtliche Haftung.
Ziel der EU-Richtlinie ist es, Menschenrechte in globalen Lieferketten zu schützen. Große Unternehmen sollen zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie von Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Nach massiver Kritik aus der Industrie wollte Brüssel die Vorgaben jedoch deutlich abmildern – ein Plan, der nun vorerst gestoppt ist.
Kritik und politische Schuldzuweisungen
Die Grünen feiern die Entscheidung als „Denkzettel“ für die EVP, während Industrieverbände von einer verpassten Chance sprechen. „Das ist der Super-GAU für die EVP“, kommentierte Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini. Der Verband der Automobilindustrie warnte vor einer weiteren Belastung des Mittelstands.
Aus Reihen der EVP wiederum kommt heftige Kritik an den Sozialdemokraten. Einige hätten sich nicht an den Kompromiss gehalten, hieß es. „Dank der Stimmen von Rechts- und Linksradikalen und Teilen der Sozialdemokratie müssen viele Unternehmen in Europa nun unnötig warten. Das ist unverantwortlich“, so Parteikreise.
Unsichere Zukunft für Europas Wirtschaft
Im November steht eine erneute Abstimmung im Parlament an – sie gilt als entscheidend. Bleibt es bei der jetzigen Haltung, droht Europa laut Merz ein massiver Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und Asien. „Wir verlieren Industrie, Innovation und am Ende Wohlstand“, sagte er in Brüssel.
Die EU steht damit einmal mehr vor einem Grundsatzkonflikt: Wie weit darf Regulierung gehen, ohne die wirtschaftliche Stärke Europas zu gefährden? Merz’ Warnung ist klar – das aktuelle Votum sei „ein Signal in die falsche Richtung“.