
Ein Jahrhundertunternehmen in der Krise
Der einstige Innovationsführer für Schiebedächer und Heizsysteme kämpft mit den Folgen von Absatzrückgängen, hohen Schulden und einem defizitären Geschäft mit Ladesäulen. 2023 verbuchte Webasto einen Verlust von 195 Millionen Euro – bei einem Umsatzrückgang auf 4,3 Milliarden Euro. Der finanzielle Druck wuchs, der Handlungsspielraum schwand.
Die Einigung – zwei Milliarden Euro für einen Neuanfang
Nun steht die Lösung: Die bestehenden Kreditlinien über 1,2 Milliarden Euro werden verlängert, zusätzlich fließen 200 Millionen Euro an neuen Krediten. Kunden aus der Autoindustrie beteiligen sich mit dreistelligen Millionenbeträgen, sodass das Gesamtpaket auf knapp zwei Milliarden Euro anwächst. Damit ist die Finanzierung bis Ende 2028 gesichert.
„Heute ist ein guter Tag für Webasto“, sagte Vorstandschef Jörg Buchheim erleichtert. „Wir gewinnen Planungssicherheit und eine klare Perspektive.“ Sein Restrukturierungsvorstand Johann Stohner sprach von einem „Vertrauensbeweis der Finanzierer“. Doch hinter der Rettung steckt auch ein schmerzhafter Preis.
Treuhandlösung: Machtwechsel auf Zeit
Die Eigentümerfamilien haben einer sogenannten doppelnützigen Treuhand zugestimmt. Ihre Aktien gehen vorübergehend an die Sanierungsexperten Jan Markus Plathner und Christoph Morgen von Brinkmann & Partner. Sie sollen sicherstellen, dass die Vereinbarungen mit den Gläubigern umgesetzt und die Schulden abgebaut werden.
Faktisch bedeutet das: Die Familien verlieren ihre Kontrolle über das Unternehmen – bleiben aber wirtschaftlich beteiligt. Erst 2028, nach Ende der Treuhandphase, entscheidet sich, ob Webasto wieder in Familienhand geht oder verkauft wird.
Sparen, streichen, straffen
Parallel dazu läuft ein massiver Umbau. Standorte in China, den USA und Mexiko wurden geschlossen, in Deutschland fallen Hunderte Stellen weg. Allein seit 2023 hat Webasto mehr als 2.000 Arbeitsplätze gestrichen. Der Konzern will „schlanker und kosteneffizienter“ werden, wie Buchheim betont.
Das Ziel: weniger Komplexität, schnellere Entscheidungen und ein klarer Fokus auf rentable Geschäftsbereiche. Dazu zählt vor allem das Kerngeschäft mit Dachsystemen – einem Markt, in dem Webasto trotz Krise Weltmarktführer bleibt.
Ein Symptom der Branchenkrise
Webasto ist kein Einzelfall. Die gesamte Autozulieferindustrie steckt im Umbruch. Elektromobilität, Kostendruck und geopolitische Unsicherheiten setzen den Unternehmen zu. Seit 2023 sind allein in Deutschland rund 55.000 Stellen in der Branche weggefallen. Bosch kündigte kürzlich den Abbau von weiteren 13.000 Jobs an.
Laut Daniel Steiner von PwC droht eine „massive Restrukturierungswelle“: 20 bis 30 Prozent Überkapazitäten lasten derzeit auf der Industrie. „Nicht alle Autozulieferer werden überleben“, sagt Steiner. „Nur wer konsequent restrukturiert, kann sich langfristig behaupten.“
Ein Hoffnungsschimmer – und ein Risiko
Für Webasto ist das Sanierungspaket eine zweite Chance. Die finanzielle Basis ist gelegt, die Strukturreformen laufen – doch der Erfolg hängt nun davon ab, ob das Management die Transformation auch operativ umsetzt.
Bis Ende 2028 will das Unternehmen wieder Gewinne schreiben und sich aus eigener Kraft finanzieren. Ob die Inhaberfamilien dann zurückkehren oder das Unternehmen verkauft wird, bleibt offen. Sicher ist nur: Die Ära der unangefochtenen Familienkontrolle ist vorerst vorbei – und Webasto muss beweisen, dass es den eigenen Slogan wieder mit Leben füllen kann: „Feel the Drive“.