
Krankmeldungen auf historischem Höchststand
Im Jahr 2024 erreichte die Zahl der Krankheitsfälle in deutschen Unternehmen ein Rekordniveau. Laut dem AOK-Fehlzeiten-Report kamen auf 100 Beschäftigte 228 Krankheitsfälle, nach 225 im Vorjahr. Damit verzeichnete jeder AOK-versicherte Arbeitnehmer im Schnitt 2,3 Krankmeldungen.
Auffällig: Trotz der gestiegenen Zahl an Krankmeldungen berichten andere Krankenkassen wie TK und DAK von einer leicht gesunkenen durchschnittlichen Krankheitsdauer. Beschäftigte erkranken also häufiger – aber offenbar kürzer. Hauptursache bleiben Atemwegserkrankungen, die im vergangenen Winter in mehreren Wellen auftraten.
Psychische Erkrankungen bleiben Hauptproblem
Neben Infekten bereitet vor allem die Zunahme psychischer Erkrankungen Sorge. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Fehltage aufgrund seelischer Belastungen um 43 Prozent. Betroffene fehlen im Durchschnitt 28,5 Tage pro Fall.
„Gerade bei psychischen Erkrankungen, die seit Jahren zunehmen, kommt Führungskräften eine besondere Verantwortung zu“, betont Carola Reimann, Chefin des AOK-Bundesverbands. Gesundheit müsse Teil der Unternehmenskultur werden.
Laut dem DAK-Psychreport 2024 entfielen 342 Fehltage pro 100 Beschäftigte auf psychische Leiden – vor allem Depressionen und Erschöpfung. Auch die AOK selbst meldet seit 2014 einen fast 50-prozentigen Anstieg psychisch bedingter Fehlzeiten.
Elektronische Krankmeldung sorgt für mehr Transparenz
Ein Teil des Anstiegs hat allerdings technische Gründe: Seit Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) Anfang 2023 werden Krankmeldungen vollständiger erfasst. Früher gingen manche Bescheinigungen verloren oder wurden gar nicht eingereicht.
Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, fordert dennoch eine Rückkehr zur strengeren Regelung: Eine AU solle wieder ab dem vierten Krankheitstag verpflichtend sein. AOK-Chefin Reimann hält das für ein Ablenkungsmanöver: „Bislang hat die Ärzteschaft keinen spürbaren Beitrag zur Effizienzsteigerung geleistet.“
Paradox: Mehr Krankmeldungen, aber bessere Erholung
Interessant ist ein scheinbarer Widerspruch: Trotz der vielen Krankheitsfälle fühlen sich Beschäftigte weniger gestresst. Der AOK zufolge liegen Werte für Erschöpfung, Wut und Niedergeschlagenheit wieder auf Vorpandemieniveau. Nur noch 18 Prozent haben nach Feierabend Probleme, abzuschalten – 2022 waren es noch 31 Prozent.
Betriebliche Gesundheitsförderung zeigt dabei Wirkung, auch wenn sie nicht alle nutzen. 73 Prozent der Beschäftigten berichten von entsprechenden Angeboten, aber nur 48 Prozent nehmen tatsächlich teil.
KI im Büro: Chance oder Risiko?
Neu im AOK-Report ist die Rolle der Künstlichen Intelligenz. Schon 42 Prozent der Beschäftigten arbeiten regelmäßig mit KI-Tools, in großen Unternehmen ist es mehr als die Hälfte. Nur fünf Prozent fühlen sich dabei als „Experten“.
Laut AOK birgt KI jedoch Potenzial für Gesundheitsmanagement: Algorithmen können Überlastung frühzeitig erkennen und Arbeitsprozesse anpassen, bevor es zu Erkrankungen kommt. Zwei Drittel der Befragten sehen ihre Jobs dadurch nicht gefährdet.