
Vom Aufnahmeland zum Transitstaat
Erneut erschüttern Bilder gekenterter Boote im Mittelmeer die Öffentlichkeit. Besonders auffällig: Immer häufiger stammen die Opfer nicht aus Subsahara-Afrika, sondern aus Ägypten selbst. Mehr als jeder fünfte Migrant auf der Mittelmeerroute kommt inzwischen aus dem Nilstaat. Gleichzeitig beherbergt Ägypten mit rund 100 Millionen Einwohnern bereits neun Millionen Flüchtlinge – vor allem aus Sudan, Syrien, Jemen und Libyen.
Asylgesetz und Abschiebungen verschärfen die Lage
Die Regierung in Kairo versucht gegenzusteuern: Seit Ende 2024 gilt erstmals ein Asylgesetz, das politische Betätigung verbietet und den Flüchtlingsstatus bei Straftaten oder „moralischen Verstößen“ entziehen kann. Hunderte Menschen wurden bereits abgeschoben, darunter Syrer, die Assad-kritische Proteste gefeiert hatten. Insgesamt repatriierte Ägypten seit Jahresbeginn über 190.000 Sudanesen.
Doch die Stimmung im Land kippt. Anti-Migrations-Hashtags verbreiten sich rasant, Sicherheitsbedenken steigen, und Präsident Abdel Fattah al-Sisi warnt vor „beispiellosen Migrationswellen“ nach Europa – vor allem, wenn der Krieg in Gaza anhält.
Schleusergeschäft nach Europa floriert weiter
Trotz verschärfter Gesetze bleibt Libyen das Einfallstor nach Europa. Für umgerechnet rund 18 Euro gelangen Migranten per Bus nach Tobruk, die Überfahrt nach Europa kostet etwa 2.500 Euro. Laut einer IOM-Studie sind drei Viertel der Migranten junge Männer zwischen 19 und 35 Jahren, oft ohne Schulabschluss. Nur 18 Prozent geben politische Gründe für ihre Flucht an – der Rest sucht bessere Lebensbedingungen.
Europas neues Risiko
Die EU unterstützt Ägypten mit Milliarden, um Migration einzudämmen. Doch solange wirtschaftliche Perspektivlosigkeit und regionale Krisen andauern, wird der Strom nicht versiegen. Ägypten, einst Pufferstaat, droht zum Ausgangspunkt einer neuen Migrationswelle Richtung Europa zu werden – mit weitreichenden Folgen für die europäische Asylpolitik.