Regierungsklausur in der Villa Borsig: Berlin sucht verzweifelt nach neuem Aufbruch

Abgeschottet vom Berliner Alltag beraten Kanzler Friedrich Merz und sein Kabinett zwei Tage lang über nichts Geringeres als einen „Neustart“ für Deutschland. Ort des Geschehens: die traditionsreiche Villa Borsig am Tegeler See – ein Symbol für vergangene industrielle Stärke und zugleich Mahnmal dafür, wie viel Nachholbedarf der Standort heute hat.

Ungeduld wächst – Kanzler unter Druck

Die Lage ist ernst. Während große Konzerne wie Bosch oder Lufthansa massiven Stellenabbau verkünden und die Konjunktur kaum vom Fleck kommt, wächst der Druck aus der Wirtschaft. Bei einem Treffen mit den Spitzenverbänden wurde Merz zuletzt deutlich ins Gewissen geredet: „Es ist eine Minute nach zwölf“, hieß es dort. Der Kanzler selbst konterte Kritik an mangelndem Reformeifer mit einem Appell an die nationale Zuversicht – doch auch er weiß, dass die Geduld schwindet.

Hoffnungsträger Wildberger soll Bürokratie brechen

Im Mittelpunkt der Klausur steht Karsten Wildberger, früher Chef von MediaMarktSaturn, heute Digitalminister und zuständig für die Modernisierung des Staates. Seine Mission: Verwaltung entschlacken, Genehmigungen beschleunigen und endlich jene Digitalisierung vorantreiben, die seit Jahren versprochen wird. Konkret soll es etwa möglich werden, Autos oder Gewerbeanmeldungen komplett online abzuwickeln – ohne Formulare oder Faxgeräte.

Wildbergers Pläne sind ambitioniert: 16 Milliarden Euro an Bürokratiekosten will die Regierung einsparen. Damit das klappt, setzt er auf verbindliche Zielvorgaben für alle Ministerien und messbare Fortschritte. Unterstützt wird er dabei von CDU-Politiker Philipp Amthor, der als Staatssekretär die Reformprojekte koordinieren soll.

Letzte Chance für den „Herbst der Reformen“

Große Sozialreformen wird es in diesem Jahr nicht mehr geben – umso wichtiger sind sichtbare Fortschritte bei Digitalisierung und Standortpolitik. Die Regierung weiß: Nur wenn Bürger und Unternehmen bald konkrete Verbesserungen spüren, lässt sich das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen.

Ob der „Herbst der Reformen“ gelingt oder zum nächsten politischen Fehlschlag wird, entscheidet sich nicht an großen Reden – sondern daran, ob Deutschland in Zukunft weniger Papier, mehr Tempo und wieder mehr Selbstvertrauen zeigt.

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