
Der Goldpreis eilt derzeit von einem Rekord zum nächsten. Viele Anleger werten das als Zeichen wachsender Unsicherheit – doch Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, sieht andere Ursachen. „Die Bewegung am Goldmarkt wird derzeit stärker durch Spekulation als durch Angst getrieben“, sagt er.
Zentralbanken wenden sich vom Dollar ab
Der entscheidende Auslöser für die jüngste Preisrally liegt laut Kater im Verhalten der Notenbanken des globalen Südens. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 hätten zahlreiche Länder begonnen, ihre Devisenreserven aus US-Dollar umzuschichten und stattdessen Gold zu kaufen.
Der Grund ist Misstrauen: Nach den Sanktionen gegen Russland, bei denen Teile der russischen Währungsreserven eingefroren wurden, gilt Gold vielen Staaten als sicherere Alternative. Da es aber keine ernsthafte Konkurrenz zum Dollar gibt, fließt immer mehr Zentralbankgeld ins Edelmetall.
Privatanleger folgen dem Trend
Diese Nachfragewelle hat auch die Privatanleger erreicht. Immer mehr Menschen kaufen Gold – nicht aus Angst vor einer Wirtschaftskrise, sondern, weil sie befürchten, bei steigenden Preisen außen vor zu bleiben. „Der klassische Herdentrieb greift“, sagt Kater. „Viele steigen ein, weil sie gesehen haben, dass der Kurs steigt.“
Wie lange der Höhenflug anhält, sei ungewiss. Ein Waffenstillstand in der Ukraine oder eine Beruhigung der geopolitischen Lage könnte die spekulativen Käufe schnell abbremsen.
Kein Krisensignal, sondern Marktbewegung
Von echter Panik könne keine Rede sein, meint Kater. Die Aktienmärkte notieren auf hohem Niveau, Anleiherenditen bleiben stabil, und die Volatilität an den Börsen ist so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. „Das ist kein Krisenszenario – eher ein Markt, in dem einige Akteure auf eine gute Geschichte setzen“, so der Ökonom.
Deutschlands Industrie verliert an Gewicht
Während Gold glänzt, verliert die deutsche Wirtschaft an Substanz. Vor allem die Autoindustrie kämpft mit Innovationsproblemen, energieintensive Betriebe wandern ab, und selbst der traditionsreiche Maschinenbau spürt den Druck aus China.
„Das Gewicht der Autobranche im DAX ist mittlerweile auf rund fünf Prozent geschrumpft“, erläutert Kater. Zugleich verlagern viele Konzerne ihre Produktion ins Ausland – dorthin, wo Energie günstiger ist und Genehmigungen schneller erteilt werden.
Während also Gold von globaler Unsicherheit profitiert, steckt Deutschland mitten in einem industriellen Umbruch. Und die Anleger? Sie schwanken zwischen der Suche nach Sicherheit – und dem Reiz der Spekulation.