
Zwischen Goldrausch und Realitätscheck
Es ist ein Szenario, das an die späten Neunziger erinnert: KI-Aktien schießen auf Rekordhöhen, Bewertungen steigen ins Unermessliche – und die ersten warnen vor dem großen Knall.
„Das ist wie ein Goldrausch“, sagt Carsten Roemheld von Fidelity. Unternehmen stecken Milliarden in künstliche Intelligenz, Anleger feiern jeden Investitionsschritt, als wäre es ein neuer Öl-Fund. Doch wie jede Welle droht auch diese, irgendwann zu brechen.
Andere Experten sehen das entspannter. Luca Paolini, Chefstratege von Pictet, hält die Panik für übertrieben: „Wir stufen IT-Aktien auf Übergewichtung hoch.“ Der Grund: Noch nie seien die Gewinne der Tech-Giganten so solide gewesen wie heute.
Die Parallelen zur Dotcom-Ära
Die zehn größten Aktien im S&P 500 machen inzwischen 40 Prozent des gesamten Index aus – mehr als je zuvor. In der Dotcom-Blase waren es „nur“ 27 Prozent.
Damals wie heute herrscht Euphorie. Doch während viele Internetfirmen um das Jahr 2000 kaum Umsätze hatten, verdienen die heutigen KI-Giganten Milliarden.
Tiffany Wade von Columbia Threadneedle erklärt: „Im Jahr 2000 lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis der zehn größten Aktien bei 43, heute bei 31. Die Bewertungen sind hoch – aber diesmal durch echte Gewinne unterlegt.“
Die neue Gefahr: Das „KI-Keiretsu“
Die größte Schwachstelle des Systems liegt woanders: im gegenseitigen Aufpumpen der Tech-Konzerne.
Nvidia investiert in OpenAI, OpenAI wiederum in Oracle, Oracle in Nvidia – ein Kreislauf aus Milliardenbeträgen. 2023 flossen 154 Milliarden US-Dollar in KI-Investitionen, 2025 sollen es bereits 368 Milliarden sein.
„Diese wechselseitige Abhängigkeit erinnert an das japanische Keiretsu-System der 80er-Jahre“, warnt Roemheld. Damals trieb die enge Verflechtung der Konzerne eine Blase, die 1992 spektakulär platzte – und jahrzehntelange Stagnation hinterließ.
Was passiert, wenn der KI-Geldfluss stoppt?
Die Analysten von Goldman Sachs haben durchgerechnet, was passiert, wenn die Investitionen wieder auf das Niveau von 2023 zurückfallen:
Die Bewertungen der Tech-Giganten würden um 15 bis 20 Prozent einbrechen.
Klingt verkraftbar – doch solche Rücksetzer haben schon ganze Marktzyklen zum Kippen gebracht.
Die besseren Wetten: KI-Anwender statt KI-Bauer
Doch auch wenn die Infrastrukturblase platzt – die Technologie selbst bleibt. KI wird weiter Prozesse automatisieren, Produkte verbessern und Gewinne steigern.
Deshalb rät Goldman Sachs: raus aus den Firmen, die nur die Schaufeln für den Goldrausch liefern – also Chips, Rechenzentren und Cloud-Infrastruktur.
Rein in die Unternehmen, die KI nutzen, um echte Wertschöpfung zu schaffen.
Dazu zählen laut Goldman Sachs unter anderem:
- Adobe – profitiert von KI-gesteuerter Content-Erstellung
- Intuit – setzt KI ein, um Finanzdaten automatisch zu analysieren
- ServiceNow – digitalisiert Geschäftsprozesse mit KI-Automation
- Siemens – wendet industrielle KI auf Fertigung und Energieeffizienz an
- ASML, SAP, Autodesk und weitere
Diese Unternehmen könnten laut Goldman ihre Profitabilität um bis zu 357 Prozent steigern – auch wenn die Tech-Giganten schwächeln.
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Diversifikation als Lebensversicherung
Wer bislang stark auf US-Tech gesetzt hat, sollte jetzt breiter aufstellen. Auch ETFs auf den MSCI World sind stark von den großen US-Werten abhängig – rund 28 Prozent entfallen allein auf die zehn größten Aktien.
Alternative Strategien:
- Quality-Aktien, etwa über den MSCI World Quality Index (langfristig +8,4 % p.a.)
- Private Equity über neue ELTIF-Fonds für Kleinanleger
- Gold als Inflationsschutz bei globaler Verschuldung
Fazit: Nicht aussteigen – umsteigen
Ob der KI-Hype eine Blase ist, wird sich zeigen. Doch Anleger sollten sich vorbereiten, als wäre es so. Die kluge Strategie lautet: weg von der Infrastruktur, hin zur Anwendung.
Denn wenn der Staub sich legt, bleiben die Firmen übrig, die KI nicht verkaufen – sondern mit ihr Geld verdienen.