
Schattenbanken im Fokus
Investmentfonds, Pensionskassen, Versicherer – was einst als konservative Kapitalverwaltung galt, hat sich zu einem riesigen, kaum regulierten Bankensystem außerhalb der Banken entwickelt. Laut dem neuen Finanzstabilitätsbericht des IWF halten diese sogenannten Nicht-Banken (NBFIs) mittlerweile rund die Hälfte aller weltweiten Finanzvermögen – und wickeln 50 % aller Währungstransaktionen ab.
Doch ihre Regulierung hinkt weit hinterher. „Wenn Nicht-Banken unter Stress geraten, übertragen sich Schocks blitzschnell auf das Kernbankensystem“, warnt Tobias Adrian, Direktor beim IWF. Schon moderate Verluste könnten laut Simulationen ausreichen, um die Kapitalquoten zahlreicher US- und EU-Banken um mehr als einen Prozentpunkt einbrechen zu lassen.
Wenn Fonds zur Gefahr werden
Die Pleite der Investmentfirma Archegos 2021, die der Credit Suisse Milliardenverluste bescherte, gilt dem IWF als warnendes Beispiel. Auch aktuell drohen Hedgefonds unter dem Dach der UBS Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. Der Fonds verweist auf eine „alarmierende Vernetzung“ zwischen klassischen Banken und alternativen Finanzakteuren – und fordert Stresstests, Transparenzpflichten und strengere Liquiditätsregeln.
„Viele Schattenbanken veröffentlichen kaum Informationen über ihre Positionen oder Kreditrisiken“, so Adrian. „Das macht es fast unmöglich, systemische Verwundbarkeiten frühzeitig zu erkennen.“
Europa plant, aber handelt noch nicht
Während Australien und Großbritannien bereits systemweite Stresstests durchgeführt haben, steht Europa noch am Anfang. Die EU-Kommission befragt derzeit Marktteilnehmer zu möglichen Maßnahmen. ESMA-Chefin Verena Ross sieht den Handlungsbedarf, aber keinen akuten Zeitplan: „Das ist eine Aufgabe für die Zukunft.“
Doch der IWF drängt. Denn der Schattenbankensektor ist in Europa besonders groß – mit geschätzten 54 Billionen Euro verwalteten Vermögen.
KI-Aktien als neue Blasengefahr
Neben den Schattenbanken sorgt der IWF auch wegen der explosiven Bewertungen von KI-Aktien für Unruhe. Der Hype um Nvidia, Microsoft, Apple und Co. habe zu einer gefährlichen Marktverengung geführt: Die „Magnificent Seven“ machen inzwischen ein Drittel des gesamten S&P 500 aus.
„Wenn diese Konzerne ihre hochgesteckten Gewinnerwartungen nicht erfüllen, drohen abrupte und heftige Kurskorrekturen“, heißt es im Bericht. Anlegerstimmung und Marktliquidität könnten dann innerhalb von Tagen kippen.
„Goldgräberstimmung mit Systemrisiko“
Selbst Branchenstars sehen die Entwicklung kritisch. Jeff Bezos sprach kürzlich von einer „industriellen Blase“ rund um KI, während Goldman-Sachs-Chef David Solomon warnt: „Wenn die Investitionen keine Rendite bringen, wird die Stimmung brutal kippen.“
Der IWF sieht Parallelen zur Internetblase der 2000er-Jahre – mit einem entscheidenden Unterschied: Diesmal sind Banken, Fonds und Tech-Investoren noch stärker miteinander verflochten.