Salesforce stolpert über die KI-Revolution – und schickt ein Warnsignal an die Tech-Welt

Marc Benioff liebt große Worte. Auf der Dreamforce-Konferenz in San Francisco verkündet der Salesforce-Gründer das „magische Zeitalter der KI-Agenten“. Doch während er auf der Bühne die Zukunft beschwört, kämpft sein Unternehmen in der Gegenwart mit Problemen: Die Aktie ist seit Jahresbeginn um fast 30 % gefallen – das schwächste Ergebnis aller großen US-Techwerte.

Problem 1: KI-Erwartungen treffen auf Realität

Salesforce wollte eigentlich der große Profiteur der KI-Welle werden. Immerhin verwalten Millionen Firmen ihre Kundenbeziehungen mit der Software des Unternehmens. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Nur etwa 12.000 Firmenkunden nutzen derzeit die neuen KI-Agenten von Salesforce – weniger als zehn Prozent der gesamten Kundenbasis.

Das Umsatzwachstum fiel zuletzt enttäuschend aus: 10,2 Milliarden Dollar im Quartal bedeuten zwar ein Plus von zehn Prozent, aber die Anleger hatten mehr erwartet. Für das laufende Quartal rechnet das Management sogar mit stagnierenden Erlösen. Während Konkurrenten wie Microsoft oder Oracle vom KI-Boom profitieren, tritt Salesforce auf der Stelle.

„Investoren fragen sich, warum die KI-Produkte so schleppend ankommen“, warnt RBC-Analyst Mark Reynolds.

Problem 2: Immer mehr Konkurrenz

Auf der Dreamforce versucht Benioff gegenzusteuern. Mit „Agentforce 360“ will er den entscheidenden Durchbruch schaffen – eine Plattform, die KI-Assistenten, Daten und Sprachsteuerung kombiniert. Bis 2030 sollen die Erlöse wieder auf über 60 Milliarden Dollar steigen.

Doch der Druck wächst: Microsoft, Google und sogar OpenAI drängen mit eigenen Agenten auf den Markt. Brancheninsider bezweifeln, dass Salesforce da mithalten kann. „Salesforce läuft Gefahr, an Relevanz zu verlieren“, sagt ein Manager eines Rivalen. Anders als SAP, das tief in die Geschäftsprozesse der Kunden eingebettet sei, bleibe Salesforce austauschbar.

Das Unternehmen weist die Kritik zurück. „Wir haben Erfahrung, Vertrauen und Integration – nicht nur KI“, betont Brent Hayward, zuständig für Marktstrategie. Salesforce setze auf schnelle, praxisnahe Lösungen statt auf Experimente.

Problem 3: Wachsende Zweifel an der Technologie

Neben Konkurrenz und schwachen Umsätzen kommt nun ein drittes Problem hinzu: Vertrauensverlust. Kunden berichten von fehlerhaften oder erfundenen KI-Antworten („Halluzinationen“) und Sicherheitslücken, die Angreifern Zugriff auf sensible Daten ermöglichen könnten. „Ein Chatbot, der ganze Kundendateien preisgibt, ist keine Science-Fiction“, warnt David Haber, CEO des Sicherheitsunternehmens Lakera.

Auch die Kosten schrecken viele ab. Bei Modellen, die pro Anfrage abrechnen, lasse sich der Preis oft kaum kalkulieren, sagt Berater Sam Taylor: „Manche CFOs erleben ihr blaues Wunder.“

Fazit: Große Vision, kleine Fortschritte

Benioff versucht, die Zweifel kleinzureden. „Wir gewinnen nur, wenn unsere Kunden echten Mehrwert durch KI sehen“, betont Europa-Chef Alexander Wallner. Doch die Börse bleibt skeptisch: Das Verhältnis zwischen Unternehmenswert und freiem Cashflow liegt auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren.

Analysten von Jefferies halten die Reaktion zwar für übertrieben, warnen aber: „Der Gegenwind wird bleiben, bis Salesforce beweisen kann, dass KI sich in harte Umsätze verwandeln lässt.“

Der Fall Salesforce zeigt: Zwischen KI-Vision und wirtschaftlicher Realität klafft noch immer eine große Lücke – und selbst Branchenpioniere haben Mühe, sie zu schließen.

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