
Alte Regeln, neue Realität
Lange war das Geschäft mit den großen Familienvermögen die Königsdisziplin des Private Banking. Diskretion galt als oberstes Gut – Erträge als selbstverständlich. Doch diese Gewissheiten bröckeln. „Mit dem Geschäft lässt sich kaum mehr Geld verdienen“, gesteht ein erfahrener Manager eines Milliardenvermögens.
Vor allem Multi-Family-Offices, die das Kapital mehrerer Unternehmerfamilien bündeln, geraten unter Druck. Die Margen sinken, während die Anforderungen der Kunden steigen. Inflation, steigende Zinsen und teure Regulierung fressen die einst üppigen Gewinne auf. Und nicht zuletzt rüttelt die Digitalisierung am Selbstverständnis vieler Häuser, die jahrelang auf persönliche Beziehungen und gewachsene Netzwerke setzten.
Streit, Strategiewechsel, stille Abgänge
Beispiel HQ Trust, das Vermögenshaus der Quandt-Familie: Noch immer gilt es als das größte Family-Office Deutschlands – doch auch dort wird gespart, umstrukturiert, digitalisiert. In Frankfurt und Bad Homburg herrscht nach außen Ruhe, intern ist von „tiefgreifendem Wandel“ die Rede.
Auch Focam, Tresono und andere Branchengrößen stehen vor Umbrüchen. Wo früher ewige Loyalität galt, ziehen heute junge Erben eigene Experten hinzu, fordern Nachhaltigkeit, Venture Capital, Impact Investing. Der klassische Mix aus Anleihen, Immobilien und Aktien genügt ihnen nicht mehr.
Die neue Generation bricht mit Traditionen
Viele der Next Gen Family Officers haben in London oder Stanford studiert, denken international und technologiegetrieben. Sie wollen mehr Transparenz, mehr Risiko – und mehr Einfluss. Alte Patriarchen, die Investments per Handschlag absegneten, wirken in dieser Welt wie aus der Zeit gefallen.
Der Spagat zwischen Bewahrung und Erneuerung gelingt nur wenigen. Manche Familien gründen eigene Vehikel oder investieren direkt in Start-ups, andere lagern das Vermögensmanagement an spezialisierte Tech-Plattformen aus. Die Unabhängigkeit, lange der Stolz der Family-Offices, gerät zur Kostenfrage.
Europas diskreteste Branche vor der Zäsur
Deutschland zählt über 400 Family-Offices, die zusammen mehr als 600 Milliarden Euro verwalten. Doch kaum eine Branche agiert so abgeschottet – und steht zugleich so unter Druck.
Während Banken mit aggressiven Digitalangeboten um die gleiche Klientel werben, kämpfen die alten Vermögensverwalter mit einer neuen Wahrheit: Diskretion allein reicht nicht mehr.