
Ein Jahr nach der Cannabisreform fällt die Zwischenbilanz ernüchternd aus: Der Schwarzmarkt floriert weiter, während die neu geschaffenen Anbauvereine faktisch keine Rolle spielen. Laut dem ersten Evaluationsbericht des Forschungsverbunds EKOCAN deckten sie 2024 weniger als 0,1 Prozent des Gesamtbedarfs – Medizinalcannabis kam immerhin auf bis zu 14 Prozent. Der überwiegende Teil wird aber weiterhin illegal beschafft oder im Freundeskreis weitergegeben.
Ziel verfehlt: Schwarzmarkt bleibt Hauptquelle
„Wenn der Gesetzgeber die Verdrängung illegaler Anbieter wirklich will, muss er die Rahmenbedingungen für Anbauvereine deutlich vereinfachen“, fordert Projektleiter Jakob Manthey vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Eigenanbau und private Weitergabe lassen sich laut Studie kaum erfassen, sind aber offenbar weit verbreitet.
Bei Jugendlichen hat sich die seit Jahren rückläufige Konsumquote trotz Legalisierung fortgesetzt, etwa zehn Prozent konsumieren täglich oder fast täglich. Beratungsfälle und Suchtmeldungen nahmen ab. Unter Erwachsenen bleibt der Trend stabil: Die Zahl der Konsumenten steigt langsam weiter, ein sprunghafter Zuwachs blieb jedoch aus.
Entkriminalisierung zeigt Wirkung – Besitzgrenzen sorgen für Ärger
Positiv fällt die Bilanz bei der Strafverfolgung aus. Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr rund 100.000 Cannabisdelikte weniger als zuvor. „Es handelt sich um die größte Entkriminalisierung in der Geschichte der Bundesrepublik“, betont der Tübinger Strafrechtler Jörg Kinzig. Gleichzeitig spielen neue Ordnungswidrigkeiten wie der Konsum in der Nähe von Minderjährigen bislang kaum eine Rolle.
Kritik gibt es hingegen an der praktischen Umsetzung. Erlaubt sind derzeit 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit und 50 Gramm zu Hause – Mengen, die nach Ansicht vieler Polizeibeamter zu hoch angesetzt sind. Auch der erlaubte Eigenanbau von drei Pflanzen überschreitet diese Grenzen meist deutlich, wird aber bislang selten geahndet.
Fazit: Ohne Reform keine Wende
Die Forscher sehen aktuell keinen akuten Handlungsbedarf, warnen jedoch: Ohne vereinfachte Genehmigungen für Anbauvereine und klarere Regeln bei Besitz und Eigenanbau wird der Schwarzmarkt auch mittelfristig dominieren. Die Cannabislegalisierung hat zwar zur Entlastung von Polizei und Justiz geführt – ihr zentrales Ziel, illegale Quellen zurückzudrängen, bleibt jedoch vorerst unerreicht.